Schweiz
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bullet Literatur

Gauch, Peter - Über die Ausbildung der Juristen, Richter und Verfahrensrecht, Bern 1991, S. 123ff; Häberle, Peter, Juristische Ausbildungszeitschriften in Europa, ZEuP 2000, 263; du Pasquier, Shelby, Formation et globalisation: un nouveau défi pour le juriste suisse, Zeitschrift für schweizer Recht, 2000, 437; Schneider, Hildegard, Die Ausbildung zum Juristen: eine rechtsvergleichende Übersicht;

 

In der Schweiz ist die Rechtspflege wie das Hochschulwesen Sache der 26 Kantone, die jeweils selbständige Regelungen erlassen. Diese sind aber relativ ähnlich ausgestaltet, so dass sich diese Darstellung auf die Juristenausbildung und Berufszugangsvoraussetzungen der Hauptstadt Bern und ihrer Universität beschränken kann.

 
bullet Hochschulstudium
 
bullet Zugang

Zugangsvoraussetzung für das Studium an Schweizer Hochschulen ist ein so genannter Vorbildungsnachweis, also in erster Linie eidgenössische Maturitäten, was dem deutschen Abitur gleichsteht. Daneben gibt es aufgrund der kantonalen Besonderheiten eine ganze Liste weiterer anerkannter Vorbildungen, wie Fachhochschulabschlüsse oder Abschlüsse bestimmter weiterer Schulformen. Auch ausländische Schulabschlüsse werden anerkannt, sofern sie als allgemeinbildend gelten, was für das deutsche Abitur der Fall ist. Die Kriterien im einzelnen finden Sie unter diesem Link.

bullet Studienplan

Auch die Schweiz ist dabei ihr Studium dem Bologna-Modell anzupassen und in diesem Jahr wurde auch für Jura das System von Bachelor und Master eingeführt. Am Anfang steht das Einführungsstudium von zwei Semestern, das die Grundlagen in Zivil-, Straf- und öffentlichem Recht, sowie juristische Arbeitstechnik vermitteln soll. Darauf folgt das Hauptstudium, in dem zwei Jahre lang diese Kenntnisse vertieft werden und die so genannten Grundlagenfächer unterrichtet werden. Die Studenten müssen dabei nach Wahl zwei dieser Fächer besuchen, die aus dem Bereich der Rechts- und Staatstheorie, der Rechtsgeschichte und des römischen Rechts stammen.

Das Masterstudium ist dann ein reines Wahlfachstudium mit einer Regelstudienzeit von drei Semestern. Die Studierenden können aus einem großen Katalog ihre Fächer frei zusammenstellen, wobei zwischen 78 und 90 ECTS Punkte erreicht werden müssen. Bis zu einem Umfang von 24 ECTS Punkten dürfen darunter auch fakultätsfremde Fächer sein. Außerdem muss eine Masterarbeit geschrieben werden, die innerhalb von 12 Wochen nach Ausgabe des Themas eingereicht werden muss. Einen Master mit Schwerpunktzertifikat bekommt man, wenn man bei seiner Fächerauswahl mindestens 48 ECTS Punkte in einem Schwerpunktbereich wählt und seine Masterarbeit in diesem Bereich schreibt.

Link:
Studienplan für Bachelorstudium an der Uni Bern;                      
Studienplan für Bachelorstudium an der Uni Basel;
Studienplan für Bachelorstudium an der Uni Fribourg;
Studienplan für Bachelorstudium an der Uni Zürich;

Studieninfo für Masterstudium an der Uni Bern;                        
Studieninfo für Masterstudium an der Uni Basel;                       
Studieninfo für Masterstudium an der Uni Fribourg;                   

bullet Studiendauer

Das Bachelor-Studium dauert sechs Semester, das Master-Studium weitere drei Semester.

bullet Didaktik

Es finden vorwiegend klassische Vorlesungen statt, bei denen teilweise die Anwesenheit durch Testat belegt werden muss. Daneben gibt es Übungsveranstaltungen, die einerseits im ersten Studienjahr vorlesungsbegleitend stattfinden, dann aber auch im letzten Studienjahr des Bachelor-Studiums zu einem großen Teil den Platz der Vorlesungen einnehmen. Zu diesem Zeitpunkt findet dann kaum noch Stoffvermittlung statt, sondern es steht die Einübung von Fallbearbeitung und Klausurenübung im Vordergrund.

bullet Studienbegleitende Prüfungen

Am Ende des ersten Studienjahres müssen jeweils eine schriftliche Prüfung in Privatrecht, Strafrecht und öffentlichem Recht abgelegt werden. Dabei werden wie in Deutschland Fallklausuren gestellt. In Bern müssen während des Hauptstudiums  zudem zwei "Falllösungen" eingereicht werden, die den deutschen Hausarbeiten entsprechen. Außerdem muss ein Seminar besucht werden, das aus einem mündlichen Referat mit schriftlicher Zusammenfassung besteht, die allerdings nicht dem Umfang einer deutschen Seminararbeit entspricht. In Basel dagegen wird während des Bachelor-Studiums (3.-6. Semester) in jedem Fach eine Klausur geschrieben, durch die man die Kreditpunkte des Faches erwirbt.

Im Masterstudium wird in jedem einzelnen der gewählten Fächer am Ende der Lehrveranstaltung eine Prüfung abgehalten, und zwar entweder als zweistündige schriftliche Prüfung oder als 20-minütige mündliche Prüfung.

Beispielklausuren:
Übungsfall Handelsrecht;
Übungsfall Privatrecht;
Übungsfall öffentliches Recht;
Credit-Prüfung Strafrecht;
Credit-Prüfung im römischen Recht

bullet Art der Abschlussprüfung

Am Ende des Hauptstudiums müssen je eine fünfstündige Klausur in Zivilrecht, Strafrecht und öffentlichem Recht abgelegt werden, sowie eine vierstündige Fachprüfungen im Wirtschaftsrecht und eine in den so genannten Grundlagenfächern (während des Studiums belegte Wahlfächer). Die Gesamtnote für das Studium ergibt sich aus aus den genannten Prüfungen, die jeweils doppelt zählen und den während des Studiums erzielten Ergebnissen in den beiden Falllösungen und dem Seminar.

bullet Ausbildungszeitschriften

In der Schweiz gibt es die Ausbildungszeitschrift "recht", die sechsmal im Jahr erscheint. Allerdings beträgt die Auflage nur 1940 Exemplare, so dass sie wohl nicht zur gängigen Lektüre der Studenten zählen dürfte.

bullet Kommerzielle Lehrangebote

 

bullet Spezialisierungsmöglichkeiten

Während des Bachelor-Studiums reduzieren sich die Wahlmöglichkeiten auf die Grundlagenfächer, die jeweils eine Veranstaltung im 3. und 4. Semester ausmachen. Dafür besteht im Master-Studium praktisch völlige Wahlfreiheit aus einem Katalog von über 90 Fächern. Die Studierenden können Fächer aus den Schwerpunktbereichen Grundlagenfächer, Privatrecht, Strafrecht, öffentliches Recht und Wirtschaftsrecht frei miteinander kombinieren.

bullet Auslandsbezug

Während des Bachelor-Studiums gibt es kaum Bezüge zum Ausland, lediglich Grundzüge des Völkerrechts werden unterrichtet. Im Masterstudium gibt es dafür ein eigenes Schwerpunktzertifikat "Internationales und europäisches Recht" und zahlreiche Veranstaltungen mit internationalem Bezug.

Die Universität Bern empfiehlt Studenten einen Auslandsaufenthalt während des Masterstudiums. Im Ausland erbrachte Studienleistungen werden bis zu einem Umfang von 45 ECTS Punkten auf das Masterstudium angerechnet. Hier ist also problemlos ein Auslandsaufenthalt ohne Zeitverlust möglich.

Allerdings gibt es an der Universität Lausanne einen Lehrstuhl für deutsches Recht, an dem auch der deutsche große Schein im bürgerlichen Recht erworben werden kann, der an allen Fakultäten in Deutschland anerkannt wird.

Link: Lehrstuhl für deutsches Recht Lausanne

bullet Praxisbezug

Während des Studiums müssen keine Praktika abgelegt werden.

 

bullet Vertiefungsstudien

An den Bachelor kann man in der Schweiz ein Master-Studium als reines Wahlfachstudium mit einer Regelstudienzeit von drei Semestern anschließen. Die Studierenden können dort aus einem großen Katalog ihre Fächer frei zusammenstellen, wobei zwischen 78 und 90 ECTS Punkte erreicht werden müssen. Bis zu einem Umfang von 24 ECTS Punkten dürfen darunter auch fakultätsfremde Fächer belegt werden. Außerdem muss eine Masterarbeit geschrieben werden, die innerhalb von zwölf Wochen nach Ausgabe des Themas eingereicht werden muss. Einen Master mit Schwerpunktzertifikat erlangt man, wenn man bei seiner Fächerauswahl mindestens 48 ECTS Punkte in einem Schwerpunktbereich wählt und seine Masterarbeit in diesem Bereich schreibt.

Wer den Master mit mindestens der Note 4,75 (von 6) besteht, hat zudem die Möglichkeit, durch die Anfertigung einer Dissertation den Grad eines Doctor iuris zu erlangen.

bullet Berufszugang

In der Schweiz stellt der Universitätsabschluss noch nicht die Zulassungsberechtigung für die juristischen Berufe dar. Vielmehr muss für jeden Beruf noch eine gesonderte Prüfung abgelegt werden.
 
bullet Anwaltschaft

Auch die Regelung der Anwaltschaft ist der Schweiz Sache der Kantone, so dass es 26 verschiedene Zulassungsvorschriften gibt. Es gibt sogar die verschiedensten Bezeichnungen für den Beruf wie Rechtsanwalt (Zürich), Advokat (Basel) oder Fürsprecher (Bern). Ein Anwaltspatent wird dementsprechend auch nur für einen Kanton erteilt, wobei allerdings ein Anspruch auf Zulassung in anderen Kantonen besteht, sofern die dortigen weiteren Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind. Aus Platzgründen muss sich diese Darstellung auf die Zulassung zum Fürsprecher im Kanton Bern beschränken.

Zunächst muss eine praktische Ausbildung (vergleichbar dem Referendariat) absolviert werden, zu der jeder zugelassen ist, der einen schweizerischen Juraabschluss hat. Die Ausbildung dauert 18 Monate, wovon mindestens neun in einer Anwaltskanzlei und mindestens drei bei einem Gericht abgeleistet werden müssen. Die Präsenzzeit am Arbeitsort sollte dabei 32 Stunden nicht unterschreiten.

Am Ende der praktischen Ausbildung steht die Fürsprecherprüfung, zu der zugelassen wird, wer neben dem Abschluss in Jura auch nachweisen kann, Lehrveranstaltungen in Rechtsmedizin, gerichtlicher Psychiatrie, Kriminologie und Anwaltsrecht, sowie einen Buchhaltungskurs besucht zu haben. Außerdem dürfen keine einschlägigen Vorstrafen vorliegen.

Die Prüfung besteht einerseits aus einem schriftlichen Teil, der die Abfassung eines Urteils oder einer Prozessschrift 1. in einem Fall aus dem Staats-, Verwaltungs- oder Steuerrechts, 2. in einer Strafsache und 3. in einer Zivilrechts- oder Schuldbetreibungs- und Konkurssache zum Gegenstand  hat. Dabei dauert die Strafrechtsprüfung acht Stunden, die übrigen Prüfungen jeweils sechs Stunden. Außerdem gibt es jeweils eine zwanzigminütige mündliche Prüfung in 1. Staats- und Verwaltungsrecht, 2. Strafprozessrecht, 3. Zivilprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht, 4. Steuerrecht. Der dritte Teil der Prüfung ist ein zehnminütiger Probevortrag, der einen praktischen Fall aus dem Gebiet des Zivil- oder Strafrechts zum Gegenstand hat, wobei die Akten den Kandidaten erst am Tage des Probevortrags eröffnet werden.

Link: Verordnung über die Fürsprecherprüfung

bullet Öffentliche Verwaltung

In der öffentlichen Verwaltung finden sich Juristen an zahlreichen Stellen. Fast jede Behörde hat eine juristische Abteilung, die häufig mit studierten Juristen besetzt sind. Der Zugang erfolgt durch Bewerbung auf einzelne  Stellen, die sowohl auf Bundesebene als auch auf Kantonsebene laufend in Stellenmärkten ausgeschrieben werden und jeweils unterschiedliche Anforderungen an die Qualifikationen setzen.

Link: Zentrale Seite der Schweizerischen Verwaltung mit Links auf die Kantone

bullet Richterschaft

In der Schweiz gibt es drei Instanzen, auf Kantonsebene die Amts-/Bezirksrichter und die Ober-/Appellationsrichter und auf Bundesebene das Bundesgericht in Lausanne. Der Zugang zu den verschiedenen Ebenen ist recht unterschiedlich gestaltet.

Die erstinstanzlichen Richter werden in vielen Kantonen durch Volkswahl bestimmt. In den meisten Kantonen müssen die Bewerber auf die Richterämter keinen juristischen Abschluss besitzen. In kleineren Kantonen ist daher das Laienrichtertum sehr ausgeprägt. In größeren Kantonen werden allerdings vornehmlich Juristen in das Richteramt gewählt.

Die Richter der zweiten Instanz werden in einigen Kantonen durch das Kantonsparlament, in anderen durch das Volk gewählt. Auch hier werden häufig nur politische Rechtsfähigkeit, Mindestalter, Sprachkompetenz und Wohnsitz im Wahlkreis verlangt. Eine juristische Ausbildung wird kaum vorausgesetzt und nur in vier Kantonen müssen die Richter der zweiten Instanz Jura studiert haben. Stattdessen hat sich zum wichtigsten Auswahlkriterium die Parteimitgliedschaft und die politische Aktivität entwickelt.

Die Bundesrichter werden in der Schweiz durch die vereinigte Bundesversammlung gewählt und müssen alle drei Sprachen beherrschen sowie die politische Rechtsfähigkeit besitzen. Eine juristische Vorbildung wird selbst auf dieser Ebene nicht zwingend vorgeschrieben, wobei in der Praxis allerdings nur erfahrene Juristen gewählt werden.

Link: Zentralschweizer Richtervereinigung

bullet Notariat

Auch das Notariat liegt in der Schweiz in der Kompetenz der Kantone, die es sehr unterschiedlich ausgestalten. Teilweise gibt es überhaupt keinen gesonderten Notarberuf und die klassischen Notaraufgaben werden Richtern, Gerichtsschreibern, Gemeindeschreibern, Gemeindepräsidenten, Zivilstandsbeamten oder Grundbuchverwaltern übertragen.  In den Kantonen Aargau, Basel-Stadt, Bern, Solothurn, Uri und Wallis ist dagegen das Notariat ein eigenständiger Beruf mit eigenem Patent und eigener Prüfung. In Glarus, Graubünden, Luzern, St. Gallen, Schwyz und Zug wird das Notariat auf einen patentierten Anwalt übertragen. In Thurgau und Zürich wird der Notar durch das Volk als öffentlicher Beamter gewählt. Da diese Vielfalt hier nicht darzustellen ist, soll wieder die Berner Regelung als Beispiel dienen.

Die Berner Notarausbildung ist sehr ähnlich strukturiert wie die Anwaltsausbildung. Grundvoraussetzung ist neben einem reinen Strafregister und der Handlungsfähigkeit ein Juraabschluss an einer Schweizer Hochschule. Danach muss eine zweijährige praktische Ausbildung absolviert werden, davon mindestens 18 Monate in einem Notariatsbüro und 3 Monate in einem Grundbuchamt.

Nach der praktischen Ausbildung folgt die Notariatsprüfung. Deren schriftlicher Teil besteht aus der Abfassung zweier notarieller Urkunden und eines Urteils in einer Zivil-, Verwaltungsrechts- oder Strafsache, wofür jeweils sechs Stunden Zeit ist. Die  mündlichen Prüfungen dauern jeweils 20 Minuten und befassen sich a) Notariatsrecht und notariellen Geschäften; b) Immobiliarsachenrecht mit Einschluss des Grundbuchrechts; c) bernischem Staats- und Verwaltungsrecht mit Einschluss der Verwaltungsrechtspflege; d) Strafprozessrecht; e) Zivilprozessrecht, Schuldbetreibungs- und Konkursrecht; f) Steuerrecht mit Einschluss des interkantonalen Steuerrechts; g) eheliches Güterrecht, Erbrecht. Außerdem  muss eine zweistündige Prüfung in Buchhaltung abgelegt werden.

Wer diese Voraussetzungen erfüllt, bekommt das bernische Notariatspatent und hat damit einen Anspruch auf die Erteilung der Berufsausübungsbewilligung, die ihm gestattet, öffentliche Urkunden zu errichten.

Link: Verordnung über die Notariatsprüfung