Hochschulstudium
Voraussetzung für den Besuch einer finnischen Hochschule ist eine dem
Abitur vergleichbare Abschlussprüfung der finnischen Oberschule. Die
Hochschulen können sich in Finnland ihre Studenten selbst aussuchen und
stellen Eingangsprüfungen, deren Ergebnisse zusammen mit der Abiturnoten die
Basis für die Auswahl der Studenten bilden. Schon in der Aufnahmeprüfung geht
es um juristische Themen und die Studenten bereiten sich Monate lang darauf
vor. Dafür bekommen sie eine Liste mit juristischer Literatur im Umfang von
ca. 800 Seiten, die für die Prüfung vorausgesetzt wird. Die Auswahl ist sehr
hart und z.B. an der Universität von Helsinki werden nur ca. 14 % der Bewerber
zum Jurastudium zugelassen. Daher gibt es für die Aufnahmeprüfungen
Vorbereitungskurse und auch private Repetitorien. Die meisten Kandidaten
nehmen mehrere Anläufe um an eine Jurafakultät zu gelangen und versuchen die
Zeit mit Jobs zu überbrücken. Eine Folge der hohen Einstiegshürden in Finnland
ist eine sehr niedrige Zahl von Studienabbrechern unter finnischen
Jurastudenten.
Studiengebühren gibt es in Finnland nicht, lediglich einen Sozialbeitrag
von ca. 60 € wird erhoben, der allerdings eine Krankenversicherung umfasst.
Jura wird in Finnland an drei Universitäten gelehrt: der
Universität
Helsinki, der Universität Turku und der
Universität von Lappland in Rovaniemi.
Das traditionelle Studiensystem in Finnland hat als
Abschluss einen Master mit der Möglichkeit darauf aufbauend ein
Lizentiatsstudium und anschließend ein Doktoratsstudium abzulegen. Seit 1996
gibt es als freiwillige Zwischenprüfung vor dem Master den Bachelor, da aber
allein der Master Zugang zu den klassischen juristischen Berufen gibt, blieb
der Bachelor relativ bedeutungslos (ca. 20 von 235 Studenten pro Jahr in
Helsinki). Zur Zeit wird aber im Zuge des Bologna-Prozesses das Studium
umgestaltet, so dass dem Bachelor-Abschluss eine eigenständige Bedeutung
zukommen soll. Aber auch nach der Reform wird der Master wohl
Einstellungsvoraussetzung für die meisten juristischen Berufe bleiben.
Das Studium in Finnland basiert schon seit den 70er Jahren
auf einem Credit-Point-System. Für einen Master muss ein Student 160 Punkte
erwerben, davon 14 in Einführungskursen, 11 in Sprachkursen, 105 in den
einzelnen juristischen Fächern und 30 im Fortgeschrittenenstudium. Dabei soll
1 Punkt ca. 40 Stunden Arbeitseinsatz entsprechen.
Die Einführungskurse behandeln neben einer Einführung ins
finnische Recht auch Grundlagenwissen aus dem Bereich der
Sozialwissenschaften. Die Sprachkurse umfassen Unterricht in der
Muttersprache, der anderen Landessprache (finnisch oder schwedisch), einer
Fremdsprache und einen Fortgeschrittenenkurs nach Wahl. Die juristischen
Vorlesungen sind unterteilt in Pflichtfächer (78 Punkte), insbesondere
Zivilrecht, Handelsrecht, Sachenrecht, Familien- und Erbrecht, Arbeitsrecht,
Umweltrecht, Europarecht, Rechtstheorie, Rechtsgeschichte, Recht und
Wirtschaft, Buchführung, Rechtssoziologie, Internationales Privatrecht und
Rechtsvergleichung, Strafrecht, Prozessrecht, Verfassungsrecht, Völkerrecht,
Verwaltungsrecht und Steuerrecht. Die restlichen 27 Punkte können je nach
Angebot der Fakultät in juristischen Vertiefungsfächern, Sprachkursen, Kursen
anderer Fakultäten oder auch an ausländischen Universitäten erworben werden.
Im Fortgeschrittenenstudium kann sich der Student auf ein Fach spezialisieren,
in dem er Vorlesungen und Seminare besucht, Klausuren schreibt und dann auch
seine Masterarbeit im Umfang von 50-80 Seiten schreiben muss.
Studienplan der Universität Helsinki (englisch)
Durchschnittlich dauert ein Masterstudium in Finnland 5-6
Jahre, auch wenn einige Studenten deutlich schneller sind.
Den Großteil der Veranstaltung in Finnland bilden die
Vorlesungen, in denen allerdings keine Anwesenheitspflicht besteht. Sie dienen
lediglich der Vorbereitung auf die Klausuren und können durch das Lesen von
Büchern ersetzt werden. Die Vorlesungen werden häufig als Intensivkurse
innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne gehalten. In den letzten Jahren wird
versucht, moderne Unterrichtsmethoden einfließen zu lassen wie z.B.
problemorientiertes Lernen.
Außerdem müssen die Studenten während ihres Studiums drei
Seminare besuchen, in denen sie eine Seminararbeit schreiben müssen und eine
Präsentation über ihr Thema halten müssen.
Die erforderlichen 160 Punkte für einen Masterabschluss
erwerben die Studenten durch das Bestehen von Prüfungen. Diese sind durchweg
schriftlich und können einen Umfang von 800-2000 Seiten Lernstoff behandeln.
Für alle Pflichtfächer werden pro Jahr fünf Klausurtermine angeboten. Die
Klausuren sind in der Regel auf fünf Stunden angelegt und bei den meisten
Prüfungen dürfen Gesetzestexte benutzt werden. Innerhalb einer Klausur müssen
die Studenten sowohl Themenfragen, als auch Fallfragen beantworten, teilweise
gibt es auch multiple choice Fragen.
Am Ende des Masterstudiums müssen die Studenten eine
50-80seitige Masterarbeit anfertigen und eine Prüfung zu ihrem Spezialthema
bestehen.
Die entscheidende Hürde in der finnischen Juralaufbahn ist
das Eingangsexamen der Universität, bei dem nur ca. 14 % der Kandidaten
angenommen werden. Daher ist auch der Bedarf an Unterstützung vor allem bei
dieser Prüfung gegeben, weshalb sich hier auch kommerzielle Repetitorien
durchgesetzt haben.
Während des Masterstudiums können die Studenten die Fächer
für 27 der 160 Punkte frei wählen und dabei entweder juristische
Vertiefungsfächer belegen oder Kurse anderer Fakultäten besuchen. Selbst Kurse
ausländischer Universitäten werden problemlos anerkannt. Außerdem muss sich
jeder Student im letzten Jahr auf ein Fachgebiet spezialisieren, in dem er
dann einer Projektgruppe angehört, Seminare und spezielle Vorlesungen besucht
und letztendlich seine Masterarbeit anfertigt.
Da bis zu 27 der 160 Credit Points an ausländischen
Universitäten erworben werden können, lässt sich in Finnland ein
Auslandsstudium verhältnismäßig einfach in das normale Studium einbauen. An
allen Fakultäten bestehen, gute Verbindungen ins Ausland und es bestehen viele
Partnerschaften im Rahmen der skandinavischen (Nordplus) wie auch europäischen
(Erasmus) Austauschprogramme.
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